Warum kostenfreie Impfungen für alle in Österreich?

Es ist an der Zeit, über die Erstattung von Impfungen zu sprechen. Denn der demografische Wandel betrifft auch unser Gesundheitssystem.
Bis 2040 wird die Anzahl der in Österreich lebenden Personen im pensionsfähigen Alter um 43 Prozent zunehmen, während die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter um 4 Prozent sinken wird.

Demografische Entwicklung Österreichs bis 2040

+ 10 %
Personen im pensionsfähigen Alter
- 0 %
Personen im erwerbsfähigen Alter

Die Folge ist eine Doppelbelastung des Gesundheitssystems:

1

Steigende Kosten

2

Sinkende Einnahmen

Impfungen als Basis der Gesundheits-Versorgung

Damit auch in Zukunft eine flächendeckende, hochwertige Gesundheitsversorgung gewährleistet werden kann, wird der Prävention noch größere Bedeutung zukommen. Impfungen zählen zu den wichtigsten Maßnahmen der Primärprävention, da sie wirksam und kosteneffektiv sind.

Krankheiten wie die Gürtelrose als Belastung

Jede/r Dritte erkrankt im Lauf des Lebens an Gürtelrose, einer meist schmerzhaften Nervenentzündung, die mit schweren Komplikationen einhergehen kann.

Für medizinischen Rat fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt.

Bis zu jede/r dritte Gürtelrose-Patient*in ist von der Post Zoster Neuralgie betroffen, das sind Nervenschmerzen, die über Monate bis manchmal Jahre anhalten können.

Der wichtigste Risikofaktor für Gürtelrose ist das Alter. Die Anfälligkeit für einen Ausbruch der Krankheit steigt ab etwa 50 Jahren markant an. Wird die Bevölkerung älter, bedeutet das mehr akute Gürtelrose-Erkrankungen – eine zusätzliche Belastung für das Gesundheitssystem. Das geht mit steigenden Kosten einher.

Im Österreichischen Impfplan wird eine Impfung gegen Gürtelrose für alle Erwachsenen ab 50 ausdrücklich empfohlen, für Personen mit besonders hohem Risiko bereits ab 18 Jahren. Dazu zählen beispielsweise Personen mit kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes, COPD (chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen), Asthma oder onkologischen Erkrankungen. Die Impfung schützt, wird aber bisher nicht von den Krankenkassen übernommen – somit ist die Durchimpfungsrate in der Bevölkerung aktuell noch sehr gering.

Das sagt die Bevölkerung

Unpackbar, die Schmerzen bei Gürtelrose. Jetzt gibt’s eine Impfung, aber leider ist die für mich als Pensionistin sehr teuer.

Maria H.

Wieso wird die Impfung nicht mal für mich als Person aus einer Risikogruppe von der Sozialversicherung übernommen?

Franz M.

In den Urlaub fahren oder sich vor Gürtelrose schützen. Vor so eine Entscheidung sollte man nicht gestellt werden!

Heidelinde S.

Ich würde mich gerne impfen lassen, doch das kann ich mir schlicht nicht leisten. In Deutschland ist sie gratis, warum nicht auch in Österreich?

Hugo W.

Würde es sich nicht rechnen, in die Vorsorge zu investieren? Die Behandlung kostet die Krankenkassa ja auch einiges.

Anna-Rosa L.

Fakten zur Gürtelrose

Über

10 %

der Über-50-Jährigen tragen das Virus in sich und können an Gürtelrose erkranken.

In Österreich erkranken geschätzt rund

100000

Menschen pro Jahr an Gürtelrose.

Schon jetzt verursacht Gürtelrose rund

10000

Spitalsbelagstage jährlich. Tendenz steigend.

Die Krankheitskosten für die Gesellschaft belaufen sich jährlich auf ca. 56 Mio. EUR und könnten durch die Herpes Zoster Impfung eingedämmt werden. 

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern wie etwa Deutschland und der Schweiz wird die Impfung derzeit nicht erstattet – trotz Empfehlung im Österreichischen Impfplan.

Die hohen, privat zu tragenden Kosten sind für viele Personen eine Barriere, sich impfen zu lassen.

Auch die Volksanwaltschaft setzt sich bereits für die kostenlose Impfung gegen Gürtelrose ein.

Entscheidung im Sinne der Fakten

Die Zahl an schweren Krankheitsverläufen von Gürtelrose könnte sich durch den demografischen Wandel in den nächsten Jahren erheblich erhöhen, wenn nicht entgegengewirkt wird.

Dies hätte aus gesundheitsökonomischer Sicht gravierende Folgen, wie aus der 2023 veröffentlichten Studie „Ökonomische Effekte der Herpes-Zoster-Impfung in Österreich“ des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung hervorgeht.

Angesichts der Schwere der Erkrankung ist mit deutlich mehr Hospitalisierungen zu rechnen. Unser Gesundheitssystem stößt jetzt bereits an seine Grenzen.

fasst Dr. Christian Helmenstein, Leiter von Economica zusammen.

In Ländern wie Deutschland, der Schweiz, Italien, Spanien oder Großbritannien wird die Impfung bereits kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Laut einer Befragung des Marktforschungsinstitutes Peter Hajek Public Opinion Strategies ist Gürtelrose in Österreich als Erkrankung weithin bekannt. 

Neun von zehn Österreicher*innen haben bereits von Gürtelrose gehört. Doch:

Für ein Drittel der Befragten sind die hohen Kosten die ausschlaggebende Ursache, sich nicht impfen zu lassen.

 erklärt Dr. Peter Hajek.

Analysiert man die Ergebnisse beider Studien, ergibt sich ein eindeutiges Fazit. Die im Österreichischen Impfplan empfohlenen Impfungen für alle betroffenen Personen zu erstatten wäre ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiger Entlastung des Gesundheitssystems. Die Kostenübernahme wäre zudem ein deutliches Signal, künftig statt auf Reparatur- auf Präventivmedizin zu setzen, und sie würde sich positiv auf Volksgesundheit und Volkswirtschaft auswirken.

Das sagen Expert*innen

Was den Kostenfaktor betrifft, gibt es Bemühungen, das Ministerium davon zu überzeugen, generell bestimmte Impfungen für ältere Menschen durch die Kassen abzudecken, darunter auch die Gürtelrose-Impfung. Einerseits, um Menschen möglichst vor langwierigen, schmerzhaften und mit Folgerisiken behafteten Erkrankungen zu schützen, aber auch, weil ökonomische Berechnungen zeigen, dass die Kosten-Nutzen-Kalkulation für eine Impfung spricht.

Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Müllegger

Vorstand der Abteilung für Dermatologie und Venerologie am Landesklinikum Wiener Neustadt

Ich fürchte, dass sich viele Menschen zu sehr auf die Medizin verlassen, die man braucht, wenn man schon erkrankt ist. Es ist aber immer besser, die Erkrankung zu vermeiden und sie dem Körper zu ersparen. Ich konnte mir die Impfung leisten, für viele andere ist der Preis aber eine große Hürde. Impfungen, die im Österreichischen Impfplan empfohlen werden, sollten kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

Elisabeth Pittermann

Gesundheitssprecherin des Pensionistenverbands und vor 30 Jahren erste Primaria der Hämatologie und Onkologie im Hanusch-Krankenhaus

Durch die steigenden Fallzahlen an Gürtelrose-Erkrankungen und das gleichzeitige Schrumpfen auf der Finanzierungsseite ergibt sich eine Doppelbelastung des Gesundheitsbudgets. Dementsprechend relevant ist, sich die Kosteneffizienz einer Schutzimpfung anzusehen. Aus Sicht der Bevölkerung ab 50 Jahren würde eine solche Kostenübernahme eine ähnliche finanzielle Entlastung bedeuten wie jene für die summierten Influenza-Impfungen. Mit dem gewichtigen Unterschied, dass die Gürtelrose-Impfung nicht jährlich aufgefrischt werden muss.

Univ.-Prof. Dr. Christian Helmenstein

Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts Economica

Prävention hält gesund, erspart den Menschen viel Leid und dem Gesundheitssystem Geld für die Heilbehandlung. Dazu bekennen sich in der trockenen Theorie alle. In der Praxis hängt aber viel von Bildung und Einkommen ab. Immer wieder melden sich Menschen bei der Volksanwaltschaft, weil sie sich zum Beispiel die dringend empfohlene Herpes-Zoster-Impfung nicht leisten können. Empfohlene Impfungen sollten kostenlos sein!

Bernhard Achitz

Volksanwalt für Soziales, Pflege und Gesundheit

Die Impfung gehört unbedingt vom Staat gestützt. Die Menschen sind bereit einen Selbstbehalt zu zahlen, und das ist auch gut so, weil damit der Wert gleichermaßen anerkannt wird. Aber den Großteil muss die Kasse bezahlen.

Martina Rupp

Langjährige TV-Moderatorin & Betroffene

Österreich sollte in die Gürtelrose-Impfung investieren. Wir haben es in der Hand, Prävention zu fördern. Es müsste einfach ein Umdenken im Umgang mit Präventivmaßnahmen stattfinden.

Dr. Alexander Biach

Direktor-Stellvertreter und Standortanwalt in der Wirtschaftskammer Wien

Viele Menschen können sich die Impfung nicht leisten. Sie sind der Erkrankung dann schutzlos ausgeliefert. Das muss sich ändern.

Peter Kostelka

Präsident des Pensionistenverbands Österreichs

Für ein Drittel der Befragten sind die hohen Kosten die ausschlaggebende Ursache, sich nicht impfen zu lassen. Die Gürtelrose ist demnach derzeit, plakativ formuliert, eine Zwei-Klassen-Medizin.

Dr. Peter Hajek

Markt- und Meinungsforscher